Himmel über Meer

Meditation und die Pandemie der Angst

„Es ist alles schon einmal gesagt worden. – Nur noch nicht von jedem.“

Dieses Zitat von Karl Valentin hält mich oft davon ab, zu Themen meinen Senf hinzuzugeben, zu denen ich – im Nachhinein betrachtet – besser geschwiegen hätte.

Zum Thema CORONA könnte ich endlos Vieles sagen oder auch gar nichts.

Aber nachdem immer mehr Menschen, die ich aus vielen Meditations-Seminaren her gut kenne, mich immer öfter nach meiner Haltung zur gegenwärtigen Situation gefragt haben, möchte ich doch hin und wieder meinen bescheidenen Beitrag zur Informationsflut leisten.

Mit Aufmerksamkeit und großer Faszination beobachte ich dieser Tage etwas noch nie Da-Gewesenes: Die Hektik und Geschäftigkeit der Welt scheint still zu stehen. Es ist, als hielte der Globus den Atem an. Milliarden von Menschen werden von einem einzigen Thema beherrscht: Die Pandemie einer bisher unbekannten Seuche. Ein neuartiges Virus beherrscht die Menschen weltweit. Regierungen, Politiker und die mit ihnen verbundenen Medien informieren, warnen und handeln in nie da gewesener globaler Gleichförmigkeit. Ob man an die täglich von Presse, Funk und Fernsehen in unsere Köpfe hineingehämmerten Schreckens-Szenarien glaubt oder ob man sich durch alternative Informationsquellen aus dem Internet besser informiert fühlt, hängt davon ab, ob man sich lieber ängstigen oder beruhigen möchte.

Ob die Gefahr durch Corona wirklich so groß ist, wie manche behaupten -, oder ob ganz andere Gründe hinter dem globalen Stillstand stehen, kann und mag ich hier nicht beurteilen. Worüber ich allerdings etwas sagen kann ist:

Die Pandemie der Angst

Als Meditationslehrer beschäftige ich mich seit über drei Jahrzehnten und in über tausend  Vorträgen mit der Frage, was Meditation mit Mut, Tapferkeit und Zuversicht oder andererseits mit Unsicherheit, Zweifel und Angst zu tun hat.

Die von mir vor über zehn Jahren gegründete Seminarreihe „Meditation und der Mut zu werden, wer man ist“ beschäftigt sich genau mit diesen Themen. Vor allem das Wochenendseminar mit dem Titel: „Wagemut“„Meditation und die Entwicklung von Furchtlosigkeit“ ist der Erfahrung gewidmet, die jeder Mensch mit seinen eigenen Ängsten und der Atmosphäre von Furcht und Unsicherheit draußen in der Welt machen kann. Kern der gemeinsamen Übung ist Shamatha/Vipasyana – die klassische Meditation im stillen Sitzen.

All diejenigen, die mit der Meditation vertraut sind, wissen um den Wert einer Übung, bei der man im Grunde nichts tut. Einfach wach und aufrecht ganz da sein, wo man hier und jetzt ist, und auch genau dort bleiben, wo man hier und jetzt ist. Meditierende haben gelernt, dass man nicht vor sich selber weglaufen kann und dass man sich auch nicht vor der Wirklichkeit verstecken kann, indem man einfach die Augen schließt und von Irritation und Unsicherheit nichts mehr hören oder wissen will. Meditation ist das Gegenteil von Ignoranz. Meditierende versuchen aufrecht, wach und mit neugierig offenem Geist wahrzunehmen, was tief in uns drinnen wirklich passiert. Die Gefahren und Bedrohungen, die als Angst oder Unsicherheit von außen zu kommen schienen, sind längst schon in uns drin.

Dass das Virus nur unter dem Mikroskop sichtbar wird und auch nur von Experten in seiner potentiellen Gefährlichkeit verstanden und erkannt werden kann, trägt nicht zur Beruhigung bei. Das Unsichtbare und Unbekannte einer Situation macht uns immer die größte Angst. Unsicherheit, nicht wissen, wie es weitergeht, Veränderung, Vergänglichkeit … letztendlich die Furcht vor dem Tod lassen die Angst zur Panik werden. Angst ist ansteckend. Sobald eine größere Gruppe von Menschen um uns herum von Angst und Unsicherheit infiziert in den Panikmodus verfällt, können wir uns dem Sog um uns herum meist nicht mehr entziehen.

Es sei denn unser Mut ist größer als unsere Angst.

Die Angst bekämpfen zu wollen verstärkt sie nur. Uns vor ihr zu verstecken oder vor ihr wegzulaufen … kann das Problem nicht lösen. Wir wünschen uns, wie Rambo oder andere Superhelden keinerlei Angst zu kennen und immer stets furchtlos zu sein.

Wer sich Furchtlosigkeit wünscht, würde gerne die Furcht loswerden. Aber so funktioniert das nicht. Furchtlosigkeit ist nicht, keine Furcht zu haben. Furchtlosigkeit – das ist der Mut, die eigene Furcht realistisch anzuschauen und vor sich selber tapfer zugeben zu können, dass man Angst hat. Dort, wo der Mut durch regelmäßige Meditationsübung allmählich  wächst und die damit einhergehende Gelassenheit Schritt für Schritt größer wird, ist kein Platz mehr für Furcht und Panik. Wenn man seiner Angst direkt ins Auge schauen kann, verliert sie mit der Zeit ihren Schrecken.

Was machen wir normalerweise mit Ängsten und mit dem Gefühl großer Unsicherheit? 

Wir überspielen sie, versuchen sie zu verdrängen, schließen unsere Augen oder laufen vor ihnen weg. Vielleicht ein ganzes Leben lang. Zumindest so lange, bis wir verstehen, dass das Ignorieren von Wirklichkeit keine Lösung ist.

Meditierende laufen nicht weg. 

Vor allem nicht vor sich selber und schon gar nicht vor Dingen, die man nicht ändern kann. Aufrecht und gerade stellt sich der Meditierende seiner Angst und der rastlosen Unsicherheit, die sie im Gefolge hat. Mitten in seiner Angst bleibt er still und ruhig sitzen, sitzt durch die Unruhe hindurch und lässt sich nicht wegwaschen von Albträumen und Horror-Vorstellungen, die wie alle Gedanken und Gefühle von nirgendwo her kommen, vielleicht kurz bleiben, um dann wieder nach nirgendwo zu verschwinden.

Wenn man die einfache Übung der Meditation gelernt hat, weiß man, dass man mit sich selber, mit seinem Körper und seinen Geist aktiv arbeiten kann. Jede Veränderung der sogenannten äußeren Welt fängt mit einer veränderten Haltung innen an. 

Angst wird dadurch überwunden, dass wir uns ihr stellen! 

Statt weiterhin vor der Angst davonzulaufen oder uns vor ihr durch vielerlei Aktivitäten zu verstecken, gehen wir direkt auf sie zu. Man kann seiner eigenen Angst furchtlos ins Auge sehen und dadurch feststellen, dass sie in Wirklichkeit nicht so bedrohlich ist, wie sie von weitem ausgesehen hat.

Es ist ein wenig so wie mit dem Schein-Riesen Herr Tur Tur aus dem Kinderbuch „Jim Knopf“ von Michael Ende. Der Riese war nur aus der Entfernung gesehen so riesig. Wer den Mut hatte, auf den bedrohlich aussehenden Mann tapfer zuzugehen, der entdeckte, dass der Riese mit jedem Schritt kleiner und kleiner wurde. Als Jim Knopf dem Herrn Tur Tur endlich Auge in Auge gegenüber stand, entdeckte er, dass es gut war, sanft und freundlich mit seiner Angst umzugehen – und, dass es einen direkten Zusammenhang gab zwischen der Größe der Angst und dem Mut, ihr ins Gesicht zu sehen.

Meditation ist der Mut, die Dinge so anzuschauen, wie sie sind.

In unserem gewöhnlichen Alltag versuchen wir ununterbrochen, die Dinge so zu sehen, wie wir sie gerne hätten, befürchten oder vermeiden wollen. Schon von klein an versuchen wir, die Welt und unsere Wahrnehmung der Welt so zu manipulieren, bis sie in unser persönliches Weltbild passen. Und diese aktuelle Krise passt uns ganz und gar nicht. Da ist es gut, wenn man durch die Meditation eine Technik und Methode kennt, wie man lernen kann, die Dinge so zu sehen und anzunehmen, wie sie sind.

Die Meditations-Seminare LebensMUT, WageMUT und SanftMUT beschäftigen sich u.a. damit, wie wir eine Lebenshaltung finden, die uns praktische Werkzeuge an die Hand gibt, mit Situationen voller Unsicherheit und Ängsten gut umzugehen.

Der erzwungene Stillstand im ganzen Land, die Ausgangsbeschränkungen oder die unfreiwillige Quarantäne könnte man auch wie ein Retreat betrachten. Retreat ist der englische Name für die mehrtägigen Meditations-Seminare, die ich seit über dreißig Jahren in buddhistischen Zentren, Hotels oder christlichen Klöstern anbiete.

Ich würde mich freuen, Sie bei einem unserer Seminare zum Thema Mediation und Mut (wieder) zu sehen. Dort können Anfänger und Fortgeschrittene die Technik der Meditation erlernen, vertiefen und und in bester Gesellschaft zusammen mit anderen gemeinsam  praktizieren. Bisher ist noch keines der 13 verbleibenden Seminare dieses Jahres abgesagt worden. Aktuelle Informationen finden Sie stets auf: www.sit-zen.com – bei www.sitameditation.de oder bei den Veranstaltern vor Ort.

Auf meiner Website www.sit-zen.com finden Sie außerdem einen Blog mit vielfältigen und aktuellen Beiträgen. Bitte nutzen Sie die Kommentarfunktion des Blogs für Austausch, Feedback und Diskussionen. Links zu meiner Facebook-Seite und unserem Youtube-Kanal finden Sie ebenfalls auf der Website. Natürlich stehe ich auch weiterhin gerne per E-Mail für persönlichen Austausch zur Verfügung.

Passen Sie gut auf sich auf. Bleiben Sie gesund und befolgen sie alle notwendigen Vorsichtsmaßnahmen. Angst ist nämlich auch sehr nützlich. Wenn die ursprüngliche  Intelligenz der Angst noch (oder wieder) im Einklang mit den natürlichen Instinkten von Körper, Herz und Geist ist, wird sie zu einem unverzichtbaren Helfer und Begleiter auf dem Weg zu unserem inneren Potential. Vielleicht wären Sie ohne Angst gar nicht auf die Idee gekommen, etwas in Ihrem bisherigen Leben zu ändern. 

MEDITATION und der MUT, zu werden, wer wir sind…. das ist ein Prozess des unermüdlichen Lernens und des beständigen Wachstums.

Lassen Sie sich nicht von vorübergehenden Irritationen  auf Ihrem Weg entMUTigen. 

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